Die „Planetary Health Diet“ klingt für viele nach einem vielversprechenden Plan: Sie mag gesund und kompatibel mit den Kapazitäten der globalen Biosphäre sein. Doch sozial verträglich ist sie nicht.
Anfang 2019 stellte die EAT-Lancet-Kommission, ein exklusives Gremium von 37 Fachleuten aus 16 Ländern, eine vielversprechende „Planetary Health Diet“ vor: Mit der weltweiten Übernahme dieses Speisezettels könnten rund elf Millionen ernährungsbedingter Todesfälle pro Jahr vermieden, bis zu zehn Milliarden Menschen gesund ernährt und die Stabilität der Ökosysteme gewährleistet werden, Einhaltung des Pariser Klimaabkommens inklusive. Sie sollte die Grundlage einer radikalen Umgestaltung des weltweiten Ernährungssystems sein – einer „Great Food Transformation“ unter Beteiligung aller wesentlichen Akteure auf allen Ebenen, forderte die Kommission.
Tatsächlich hat die stiftungsfinanzierte Kommission Pionierarbeit geleistet: Ihr Speiseplan wurde nicht nur auf Gesundheitseffekte, sondern auch auf Vereinbarkeit mit der Stabilität der Biosphäre geprüft. Dazu wurden die „planetaren Grenzen“ für sechs vom Ernährungssystem maßgeblich beeinflussten Systeme und Prozesse herangezogen: Klimawandel (Treibhausgasemissionen), Verlust der biologischen Vielfalt, Landnutzungsänderungen, Süßwasserverbrauch sowie Stickstoff- und Phosphorströme.
Ein Ergebnis: Selbst geringe Steigerungen des Konsums von „rotem“ Fleisch (Rind, Schwein, Schaf, Ziege etc.) und Milchprodukten würden die zukünftige Ernährungssicherheit ernsthaft gefährden – daher soll der Konsum von rotem Fleisch auch mindestens halbiert werden. Bei der „planetaren Gesundheitskost“ handelt es sich demgemäß um eine überwiegend pflanzliche Ernährung, bestehend aus Obst, Gemüse, Vollkornprodukten, Hülsenfrüchten, Nüssen und ungesättigten Fetten, dazu geringe Mengen von Fisch, Geflügel, Eiern, Rind- und Schweinefleisch, mit Spielraum für regionale und kulturelle Besonderheiten, alles zusammen im Schnitt 2.500 Kcal pro Tag.
Politik in der Pflicht. Wie soll die Transformation des Ernährungssystems gelingen? Auf die Launen von Verbraucher*innen darf es dabei nicht ankommen, hält die Kommission fest. Ihre Präferenzen könnten ohnehin nur wenig bewegen, etwa bei der Verbesserung des Stickstoff- und Phosphorhaushalts. In punkto biologische Vielfalt könnte sich, wenn nur die Ernährung auf Diät umgestellt wird, ohne Gegenmaßnahmen sogar der Verlust biologischer Diversität beschleunigen.
Wichtiger sind vielmehr politische und systemische Interventionen, wie zentrale Forderungen der Kommission zeigen: Umorientierung der Nahrungsmittelproduktion auf Qualität anstatt auf Menge, nachhaltige Intensivierung der Produktion (Ertragssteigerung, neue Sorten, Präzisionslandwirtschaft), keine weitere Expansion der Landwirtschaft auf Kosten natürlicher Ökosysteme, ein Verbot der Hochseefischerei und eine Reduzierung der Lebensmittelabfälle um die Hälfte.
Damit liegt die Kommission wohl großteils richtig, doch ein globaler politischer Konsens über eine solche „Great Food Transformation“ scheint derzeit nicht in Sicht: China dürfte nicht dem Schweinefleisch den Kampf ansagen, und auch die globale Agroindustrie wird sich nicht demnächst vom Saulus zum Paulus wandeln. Und rund drei Milliarden Menschen im Globalen Süden, schätzt die UN-Landwirtschaftsorganisation FAO, haben ganz andere Probleme: Sie können sich weder die planetare Gesundheitskost noch irgendeine gesunde Ernährung leisten. Dabei ist die Armutsbekämpfung schon globaler politischer Konsens.
Weblinks:
EAT-Lancet Commission: eatforum.org/eat-lancet-commission
Bericht der UN-Ernährungsorganisation FAO: fao.org/publications/sofi
Robert Poth lebt als Übersetzer, Lektor und Blogger in Wien. Dem Südwind-Magazin ist er seit mehr als 20 Jahren als freier Mitarbeiter verbunden.
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